- Von Frau zu Frau
2020 - 12 Frauen - November
Silke Hohmann
Nun ist schon das vorletzte Interview in der Reihe "2020 - 12 Frauen" an der Reihe und ich freue mich sehr, dass die liebe Silke von FamilienLeben.Ruhr die Zeit und MuĂe gefunden hat, meine Fragen zu beantworten.
Beschreibe Dich, wo kommst Du her, wo lebst Du, was sind Deine bedeutendsten Eigenschaften? Wie sieht ein typischer Tag von Dir aus?
đ Mein Name ist Silke, ich bin 41 Jahre alt, Mama von 2 Kindern und verheiratet. Ich bin geboren und wohne in Essen, wo ich auch hauptsĂ€chlich arbeite. Ich bin seit 2017 Kursleiterin und Beraterin im Eltern-Kind Bereich, seit 2019 unter dem Namen Familienleben.Ruhr. Davor war ich sehr lange im Einzelhandel tĂ€tig, erst neben dem Studium und ab 2004 dann Vollzeit bis 2013 mein groĂer Sohn auf die Welt kam und alles auf den Kopf gestellt hat. 2017 kam dann Kind Nummer 2 und der endgĂŒltige Abschied vom Handel.
Meine bedeutendsten Eigenschaften⊠puh⊠ich bin sozial, empathisch (was in meinem Job recht hilfreich ist), pragmatisch, hab eine hohe Auffassungsgabe, arbeite gut in kleinen Teams und ich bin lustig⊠zumindest behaupten das andere von mir. Dann ist da vielleicht was dran.
Mein typischer Tag startet damit, dass mich meine Kinder aus dem Bett werfen, ich alle mit GetrĂ€nken versorge, eine groĂe Kanne Kaffee fĂŒr mich koche und dann alles fĂŒr Schule und Kindergarten vorbereite. Dann bring aktuell ich den GroĂen in die Schule und stĂŒrze mich dann in die Arbeit.
Aktuell ist es viel Schreibkram und Ideen finden und umsetzen, da Kurse geben ja nur unter sehr strengen Bedingungen möglich sind und ich dadurch aktuell viel weniger gebe als sonst.
Mittags sammele ich meine Kinder ein und dann geht es an Essen kochen, Hausaufgaben begleiten, Spielen, (den ganzen Mental Load Kram halt) evtl. noch nebenbei Emails oder Anfragen beantworten um dann gegen 20 Uhr mĂŒde auf die Couch zu fallen
Warum bist Du gerne eine Frau?
đ Spannende Frage. Da habe ich ehrlich gesagt noch nie wirklich drĂŒber nachgedacht. Ich fand und finde es eigentlich meistens eher anstrengend, wenn ich als âFrauâ wahrgenommen werde, denn dann werden mir immer ganz komische Dinge unterstellt, die gar nicht zu mir passen, wie dass ich Sekt mögen mĂŒsste oder Schuhe sammle, eh nur Salat esse und stundenlang vorm Spiegel stehe. Das bin ich aber gar nicht. Ich bin eher der Bier und Turnschuh Typ, ich sammle Horrorfilme und koche ein ernsthaft gutes Chilli und dieses Glitzer und Puschel Schischi Zeugs ist alles so ĂŒberhaupt nicht meins.
Ich hab zwar 2 Kinder bekommen und auch gestillt, das ist schon irre, was mein Körper da geleistet hat. Das macht fĂŒr mich allerdings nicht âFrau seinâ aus. Denn Frauen gebĂ€ren nicht automatisch Kinder. Ich wĂ€re ja auch ohne meine Kinder eine. ZusĂ€tzlich bekommst du als Frau diese stĂ€ndigen Auflagen, geh nicht Abends alleine raus, pass auf was du anziehst, mit wem du redest, LĂ€chle doch mal, aber nicht zu viel, sonst verstehen die MĂ€nner das falsch. Rede nicht so hoch, du quietscht. Rede nicht so tief, du bist doch kein Mann.
Das ist alles echt anstrengend und macht nicht so wirklich SpaĂ. Ich bin eine Frau und ich fĂŒhle mich auch als Frau, aber diese ganzen Rollenklischees machen es mir echt schwer, da klar sagen zu können âIch bin gerne eine Frauâ.
Was ist Dein Herzensthema? Was sind Deine Herzensthemen?
đ Meine Herzthemen sind Eltern-Kind Beziehungen und aktuell noch Mental Load, wobei dass eine viel mit dem anderen zusammenhĂ€ngt. Denn wo keine guten Beziehungen sind, herrscht meistens auch viel Mental Load, der an einer Person, meist Frauen, hĂ€ngen bleibt. Das ganze aufzubrechen, zu zeigen wie wichtig gute Beziehungen, GefĂŒhle, VerstĂ€ndnis und Hilfe suchen und geben sind und das alle GefĂŒhle und BedĂŒrfnisse ihren Platz und Wert haben. Wenn ich SĂ€tze höre wie âder will doch nur Aufmerksamkeit!â kann ich nur noch die Augenbraue hochziehen und sagen: âJa stimmt vermutlich. Was hĂ€lt dich ab, sie zu geben?â Denn BedĂŒrfnisse sind mehr als Essen, Trinken, Schlafen. Da gehören auch so Sachen wie z.b. gesehen werden, Selbstwirksamkeit, Autonomie mit rein. Und lieben und geliebt werden.
Wir sind soziale Wesen und brauchen andere Menschen, die gut zu uns sind und uns helfen und unterstĂŒtzen. Der Mensch ist und war noch nie ein EinzelkĂ€mpfer, warum tun wir so als ob das ginge?
Und ja, eine Mutter kann ihr Kind noch so sehr lieben, sie wird es nicht alleine schaffen, es groĂ zu bekommen und dabei mental stabil zu bleiben.
Da gehören immer mehrere Menschen zu. Familie ist ein viel gröĂeres Feld als die kleine Kernfamilie, die in einem Haushalt wohnt.
Da gehören noch Verwandte, Freunde, Nachbarn, Erzieher:innen, Lehrpersonal und und und zu. Das scheint in unserer Gesellschaft nur immer noch nicht angekommen zu sein. Aber es wird. Viele kleine Schritte singen wir im Kurs.
Auf was bist Du in Deinem Leben besonders stolz?
đ Auf meine Kinder, die sind nĂ€mlich richtig toll und das ganz von alleine.
Und ich bin echt stolz auf mich, dass ich mich gegen die ganzen Unkenrufe durchgesetzt habe und jetzt mein eigenes Ding durchziehe. FĂŒr mein Umfeld war es, als hĂ€tte ich mit Mitte DreiĂig gesagt: So, ich schmeiĂ alles hin und werde Puppenspielerin in der Antarktis! Ich war in einem unbefristeten Arbeitsvertrag, seit ĂŒber 10 Jahren im Unternehmen und hĂ€tte echt richtigen Mist bauen mĂŒssen um rausgeschmissen zu werden. Das ist ja eigentlich so der konservative Traum. Da ich aber schon als Kind massive Probleme mit âdas macht man soâ hatte, obwohl ich sehr angepasst war, war das eigentlich abzusehen, dass ich da irgendwann ausbreche.
Wo haben es Frauen heute (noch) schwer?
đ Ich sehe ĂŒberall noch Probleme. Sei es bei GehĂ€ltern, Jobs die nicht ernst genommen werden, Frauen werden beleidigt, ihnen werden Vergewaltigungen angedroht, wenn die Meinung nicht passt, ihnen werden ungefragt Penisbilder zugesendet, sie werden einfach angefasst, an ihrem Aussehen festgemacht. Sie werden nicht eingestellt, weil sie schwanger werden könnten und als Alleinerziehende schon mal gar nicht.
Es sitzen immer noch mehr MĂ€nner mit dem Vornamen Thomas in VorstĂ€nden, als Frauen ĂŒberhaupt vertreten sind. Immerhin ist es jetzt strafbar in der Ehe vergewaltigt zu werden und Tampons sind vor dem Gesetzt kein Luxus mehr. Juchuu.
Ansonsten stehen wir noch sehr am Anfang der Gleichberechtigung. Das sieht auf dem Zettel immer ganz toll aus, die RealitÀt ist allerdings eine andere.
Und das ist alles nicht nur zum Nachteil der Frauen.
Die MĂ€nner fallen genauso hinten ĂŒber, die z.b. nicht in Teilzeit dĂŒrfen oder in Elternzeit, die Ausgelacht werden, wenn sie sich sozial engagieren oder einen Care-Beruf ergreifen. Da muss sich noch mehr tun. Viel mehr.
Was möchtest Du anderen Frauen mit auf den Weg geben?
đ Werdet laut. Werdet noch lauter! Fordert ein. Ihr dĂŒrft wollen wollen und ihr dĂŒrft das einfordern. Ihr seid nicht alleine verantwortlich fĂŒr das ganze Zeug, wie WĂ€sche, Kinder und Onkel Ingolfs Geburtstagsgeschenk. Ihr dĂŒrft Glitzer und Rosa kacke finden oder total toll. Das ist völlig egal und macht auch Frau sein nicht aus. Es ist auch egal, ob ihr den MĂ€nnern gefallt, oder wieviel ihr wiegt oder ob die Haare liegen.
Ihr seid tolle Frauen, mutig, stark, energisch, engagiert und hammerhart. Und zwar alle! Lasst euch nichts anderes einreden.